Artikel und Texte: Die Legende vom „Ökopelz“
Die Legende vom „Ökopelz“
Dag Frommhold, 2008

Seit Tier- und Naturschutzverbände vor knapp dreißig Jahren erstmals die entsetzlichen Zustände bei der Pelz“produktion“ aufdeckten und in Bild und Text schonungslos von der Vergasung von Nerzen, der Elektrokution von Füchsen und dem qualvollen Fallentod von Luchsen und Kojoten berichteten, haftet dem Tragen von Pelzen der Makel an, untrennbar mit Tierleid verbunden zu sein. Wer heutzutage mit Nerzmantel oder Fuchsstola durch die Fußgängerzone flaniert, erntet in aller Regel wenig bewundernde Blicke – abschätzige Gesichter und kritische Kommentare sind da schon weitaus häufiger zu beobachten. Der Pelzindustrie schwimmen folgerichtig – allen gebetsmühlenhaft wiederholten Meldungen über das angebliche „Comeback der Pelze“ zum Trotz – die Felle davon. So musste nach sinkenden Absätzen und schwindenden Ausstellerzahlen nun auch die Frankfurter Traditionsmesse „Fur and Fashion“ aufgeben. Von 2009 an wird sie nur noch als Teil einer internationalen Pelz- und Ledermesse in Mailand stattfinden.
„Freundliche Pelze“?
Rotfuchs (Bild: Racineur/flickr)
Nachdem es gerade ethische Bedenken der Verbraucher sind, die Kürschnern und Pelzhändlern zu schaffen machen, ist es wenig verwunderlich, dass manche Unternehmen sich bemühen, ihren Produkten einen grünen Anstrich zu geben. Zu diesen Firmen gehört etwa das Berliner Label „Friendly Fur“, das vom Pelzkragen über Muffs bis hin zu Flaschenhaltern die unterschiedlichsten Accessoires aus dem Fell angeblich „ökologisch korrekt erlegter“ Rotfüchse feilbietet. „Die Pelze, die wir verwenden, stammen ausschließlich aus kontrollierter Jagd“, heißt es in holprigem Englisch auf der Website des Unternehmens. Man verwende lediglich Felle einheimischer Füchse, die aufgrund ihrer „Überpopulation“ ohnehin getötet werden müssten. Auf diese Weise, so räsoniert „Friendly-Fur“-Begründer Nikolas Gleber, sei der Erwerb seiner Produkte gar ein aktiver Beitrag zum Naturschutz, der dem „modernen Prinzip von Nachhaltigkeit und globalem ökologischem Bewusstsein“ folge.
Die deutsche Presse – von „Bild“ bis hin zu „stern“ und „Gala“ – griff das Konzept des vermeintlich ökologisch korrekten Pelzes in den letzten Monaten überwiegend unkritisch auf. „Wer echten Pelz liebt, kann jetzt mit reinem Gewissen zugreifen“, schrieb etwa „Bild“, und das Lifestyle-Magazin „Park Avenue“ behauptete gar, Friendly Fur engagiere sich für Tier- und Naturschutz. Lediglich die „Welt Online“ gestattete sich die Frage, ob die von Gleber postulierte „Überpopulation“ des Rotfuchses überhaupt gegeben sei.
Überpopulation und Jägerlatein
Tatsächlich zitiert „Friendly Fur“ in diesem Punkt letztlich nichts anderes als die Position der großen deutschen Jagdverbände. Dort betont man stets, die Fuchsjagd sei notwendig, um ausufernde Bestände und die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern. Dass Füchse ihre Bestandsdichte über ein komplexes Sozialsystem selbständig regeln und menschliche Eingriffe mit Flinte und Falle lediglich die Nachwuchsrate in die Höhe schnellen lassen, wird dabei außer Acht gelassen. Bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts konstatierten etwa die Experten der Schweizer Tollwutzentrale, dass die Fuchspopulation mit jagdlichen Mitteln nicht zu beeinflussen sei. Selbst hohe Verluste von bis zu zwei Dritteln des Herbstbestandes können Füchse durch höhere Geburtenraten binnen Jahresfrist ausgleichen. Lässt man die Jagd dagegen ruhen, so leben Füchse in stabilen Familiengemeinschaften und bekommen deutlich weniger Nachwuchs, ein Phänomen, das der Biologe Erik Zimen einst mit den Worten „Geburtenbeschränkung statt Massenelend“ kommentierte. Als gesichert gilt zudem, dass intensive Fuchsbejagung die Ausbreitung etwa der Tollwut keinesfalls hemmt, sondern sie sogar fördert, weil in bejagten Fuchspopulationen stärkere Wanderbewegungen zu beobachten sind. Tier- und Naturschützer sehen dementsprechend in der selbstgesetzten jägerischen Aufgabe der „Fuchskontrolle“ nichts anderes als ein Feigenblatt, hinter dem sich Jagdlust und die Beseitigung unliebsamer Beutekonkurrenz als wahre Motive für die heftige Fuchsverfolgung verstecken.
Pelzwaren wie jene von „Friendly Fur“ können also bestenfalls als Nebenprodukt von Jagdvergnügen und Beuteneid, gewiss jedoch nicht als Resultat „notwendiger Hegemaßnahmen“ betrachtet werden. Die PR-wirksam in Szene gesetzte Vermarktung von „Öko-Pelzen“ ist damit letztlich nur ein Etikettenschwindel auf Kosten der Tiere: Sie müssen auch für „Friendly Furs“ leiden und sterben, während Pelzhändler mit dem betrogenen Gewissen leicht beeinflussbarer Kunden Kasse machen.
Fuchspelz mit Segen des NABU?
Tote Füchse in Graubünden:
"Ökologisch korrekt erlegt"?
(Bild: Chris Juden)
Unterdessen bemühen sich die Vermarkter „grüner“ Pelze um Unterstützung aus dem Lager des Natur- und Umweltschutzes. Tatsächlich lehnen viele dieser Organisationen etwa die Fuchsbejagung nicht grundsätzlich ab: Da Füchse nicht bestandsbedroht sind, betrachtet etwa der NABU (Naturschutzbund Deutschland) ihre Tötung als vertretbar, sofern die Felle der erschossenen Tiere verwertet werden. Dennoch verwunderte es, als im November auf der Website von „Friendly Fur“ der Hinweis prangte, man werde „freundlich durch den NABU beraten“. Überrascht von der ungewöhnlichen Allianz zwischen Pelzhändler und Naturschutzverein, fragte fuechse.info sowohl bei Nikolaus Gleber als auch beim NABU nach, wie genau diese Beratung denn aussähe. Während der „Friendly Fur“-Initiator behauptete, der Naturschutzbund unterstütze ihn bei der Erstellung von Pressetexten und der argumentativen Untermauerung seines Projekts, antwortete Magnus Herrmann, Referent für Natur- und Artenschutz bei der NABU-Bundesgeschäftsstelle: „Es gibt selbstverständlich keine Kooperation des NABU mit der besagten Firma. Eine diesbezügliche Anfrage wurde vom Landesverband Berlin ausdrücklich abgelehnt, da wir uns der mit Pelzen verbundenen Probleme sehr bewusst sind. Wegen der Verweisung auf der Homepage haben wir uns bereits mit dem Verantwortlichen in Verbindung gesetzt, um den Link dort löschen zu lassen, um dort nicht irrtümlich einen anderen Eindruck zu erwecken.“
Kurze Zeit später wurde der Verweis auf den NABU tatsächlich von der inzwischen umgestalteten Friendly Fur-Website gelöscht. Allerdings fand sich dort stattdessen ein PDF-Dokument, in dem Gleber eine Email von Anja Sorges, der Geschäftsführerin des NABU-Verbands Berlin, auszugsweise zitierte. Der zusammengekürzte Inhalt dieses Texts war in der Tat geeignet, eine Kooperationsbereitschaft des Vereins mit „Friendly Fur“ zu suggerieren. Auf Anfrage führte Sorges jedoch aus: „Es wurden von Friendly Fur genau die Textpassagen entfernt, die mit unserer Ablehnung deutlich in Verbindung stehen. (...)Weiterhin wurde ebenfalls der Satz entfernt, dass zu befürchten ist, dass in der öffentlichen Wahrnehmung kein Unterschied darin gemacht wird, woher ein Pelz letzten Endes stammt und die Öffentlichkeit diese Diskussion auch nicht mittragen wird. Wir prüfen zzt. die Einleitung rechtlicher Schritte."
...oder des WWF?
Letztlich lässt sich nur mutmaßen, wessen Darstellung der Wahrheit entspricht. Neben dem unglücklichen Zitat der Berliner NABU-Geschäftsführerin enthielt die von Gleber online gestellte PDF-Datei jedoch auch einen Hinweis auf eine anstehende Artikelveröffentlichung im „Stern“. Der Pelzhändler behauptete dort, dass „sich erstmalig ein Artikel (in dieser Zeitschrift, Anm.d.Red.) positiv über ein Pelz-Produkt aussprechen“ und den World Wide Fund for Nature (WWF) mit der Aussage zitieren werde, „dass in der Nutzung der Felle ökoverantwortlicher Quellen und deren Wirtschaftivierung (was auch immer das sein mag, Anm.d.Red.) die Zukunft des Artenschutzes und der Umwelt liegt“.
Allerdings erwies sich auch diese Ankündigung des „Friendly Fur“-Begründers als Fehleinschätzung. Zwar griff der Stern die oft kolportierten Ausführungen über füchsische „Populationsüberschüsse“ in der Tat etwas unreflektiert auf, doch wurde Glebers vermeintlicher Verbündeter der ihm zugedachten Rolle ganz und gar nicht gerecht. Im Zuge eines eventuellen Pelzrevivals, so zitiert der Stern den beim WWF Deutschland für Biodiversität und Artenschutz zuständigen Biologen Volker Homes, könnten Arten wie Ozelot oder Schneeleopard erneut bedroht werden, weswegen man Konzepte wie jenes von „Friendly Fur“ kritisch sehe.
Es dauerte folgerichtig nicht lange, bis die besagte Datei wieder von der „Friendly Fur“-Website verschwunden war. Ob dies auf Druck des NABU oder zur Vermeidung weiterer Peinlichkeiten geschehen ist, bleibt dabei offen.
Pelz und Tierschutz
Fragwürdiges "Produkt": Fuchspelze
(Bild: wordyeti/flickr)
Die ablehnende Haltung von Organisationen wie dem Naturschutzbund Deutschland oder dem World Wide Fund for Nature zeigen auf, dass eine Rückkehr der Pelzmode durch die Hintertür in Form angeblicher „Öko-Pelze“ unwahrscheinlich ist. Wer neben den Aspekten des Natur- und Umweltschutzes indes auch Belange des Tierschutzes berücksichtigt, muss zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen, dass es so etwas wie „Öko-Pelz“ schlicht und ergreifend nicht geben kann. Auch wenn Füchse oder Steinmarder, anders als Ozelot und Schneeleopard, nicht in ihrem Bestand bedroht sind, müssen auch sie zur Herstellung von Pelzen leiden und sterben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Preis für einen Pelz – gleich, ob Mantel, Mütze oder Muff – auch in Zukunft der weit überwiegenden Mehrheit der Menschen zu hoch sein wird.
Quellen